KANN JA ALLES SEIN - 06. Oktober 2023

Braake – eine fünfköpfige Gestalt, die mit sicheren Schritten eine dunkle Nebenstraße des deutschen Pop heruntergelaufen kommt. Im Oktober 2023 werden sie uns mit ihrem Debütalbum Kann ja alles sein erreichen – im Herzen wie im Hirn. Benno Bings, Till Schomburg und Gregor Zenns lernten sich in ihrer Berliner Stadtrandjugend kennen. Schließlich stießen Camillo Kießig und Julian Colin dazu. Letzterer fungiert ebenfalls als Produzent und arbeitete bereits mit Künstlern wie Tristan Brusch oder Trille zusammen und betreibt heute ein analoges Tonstudio in Neukölln.

Kann ja alles sein kommt im warmen Klanggewand vom Folk und Rock der 70er daher, aber die Songs sind individuelle Maßanfertigungen in modernem Schnitt. Accessoires von Surf-, Desert-, Krautrock und New Wave schlenkern über einem unbeirrten, aber unzuverlässigen Takt.

Schon beim ersten Hören spricht aus Braake dieser anziehende Eigensinn: Ein Faden, den man unwillkürlich zwischen den eigenen Fingern wiederfindet, gesponnen aus trockener Einsicht, beiläufigem Trotz und poetischer Phantasie. Und ohne es zu merken, ist man schon mitten in der Geschichte. So wie man am Rand einer langweiligen Party den Faden einer Anekdote aufnimmt, als man gerade gehen will. Und mit einem Mal nicht nur das Ende kennen, sondern auch die Einzelheiten noch weiter ausgeschmückt wissen will. Mit diesen neuen Freunden kann man weiterziehen.

An Gitarre, Bass und Schlagzeug, wo sich Benno Bings, Till Schomburg und Gregor Zenns in ihrer Berliner Stadtrandjugend kennenlernten, blieben sie auch sitzen. Eine schwer greifbare Lethargie und verkappte Wut ist Braake von dem Abend auf dem Schuldach, an dem ein erster Song zusammengesetzt wurde, bis heute geblieben: Ich find es nicht sehr angenehm, so verstanden zu sein, wenn ich nichts zu verstehen geb‘ und auch nichts verstanden hab. Geblieben ist auch die Neigung rückwärts in die 60er und 70er. Mit deren Sound ging ihnen die Leidenschaft fürs Musikmachen gemeinsam auf: eine Tür in den Purple Haze ihres inneren Hinterzimmers.

Aus den Schulpausen wurden die Semesterferien. Die Songs legten sich unbemerkt aufeinander, über einige Jahre hinweg, im Proberaum, einem Turmzimmer hoch über der Stadtautobahn: Was für ein stiller Tag. Wir reden auf unsere Weise. Die Steine, die wir beide schmeißen, ziehen unkonzentrische Kreise.

Bei einer Session auf dem großelterlichen Hof im niedersächsischen Brake fädelt sich dann mit Camillo Kießig eine zweite E-Gitarre in die Songs, feinfühlig bis zum Verzagen, aber wenn man darum bittet, auch schneidend, schräg und ungestüm. Produzent Julian Colin, der bereits mit Künstler:innen wie Tristan Brusch oder Trille zusammenarbeitete, bekommt die Aufnahmen des entstandenen Demoalbums zu hören: im Anhang ein Ordner namens Brake. In erschreckender Unkenntnis des Hundert-Seelen-Dorfes hält er das für den Namen der Band. Doch wer schon so lange an flüssigen deutschen Lyrics arbeitet, will ungern für eine englische Bremse gehalten werden. Braake it is.

Colin wird nicht müde werden, die Band aus ihrem nostalgischen Dornröschenschlaf zu wecken, um die Songs frischer und bissiger auszugestalten. Die Schwere, die ihnen anhaftet, übersetzt er in einen satten, analogen Klang. Und die Band wird immer wieder den Kopf vom Instrument heben, horchen und sagen: Ja.

Sein untrügliches Gespür für diese spezielle Musik wird Colin ein paar Jahre später vorne überkippen lassen in die nun vollständige Band. Der Produzent im Haus erspart dem Zimmermann eine Reserve-Axt oder wie es heißt, jedenfalls sind Braake nun zu fünft. Zurückgekehrt in ihre Heimatstadt kommt die Pandemie und so bauen sie sich zunächst ein eigenes Studio für den eigenen Sound.

Kann ja alles sein kommt im warmen Klanggewand vom Folk und Rock der 70er daher, aber die Songs sind individuelle Maßanfertigungen in modernem Schnitt. Accessoires von Surf-, Desert-, Krautrock und New Wave schlenkern über einem unbeirrten, aber unzuverlässigen Takt. Im Näherkommen hören wir ein fremdes Selbstgespräch, das die Wörter über die Fingerknöchel wandern lässt wie alte Münzen. Da blitzen Sätze auf, die uns noch bis zum Abend nachgehen: Ja mit dir in der Menge genieße ich auf einmal das Gedränge, komm wir ziehen unsre Körper und Tage durch unsre Liebe in die Länge.

Der in die Jahre gekommene Ausspruch, jedem Anfang wohne ein Zauber inne, wird mit der Veröffentlichung dieses Debütalbums wieder einmal einen glücklichen Volltreffer landen – und bis auf einige Zeit gelten. Und erneut ab jedem Hören dieser wahrhaft neuen Newcomer.

NEUE SINGLE - DER PATRIARCH FEAT. CHARLOTTE BRANDI

Braake sind schon lange Fans von Charlotte Brandi und ihre Musik hat uns schon als Soundtrack unserer Tour gedient oder wurde in den Pausen unserer Videodrehs gefeiert. Wir lieben ihre eigensinnigen Melodien und die sperrigen,  vermeintlich unschönen Textzeilen wie z.B. über einen gesprengten Rumpf, verholzte Stengel oder ausgetrocknete Augen. Da haben wir eine Brücke zu unserer Musik gesehen und wir waren sehr froh, als sie Lust hatte, einen Song mit uns zu machen. Sie hat den „Patriarchen“ durch ihre Stimme so zart und böse zugleich gemacht, dass das Arrangement da erstmal drauf klarkommen musste. Wie auf unserem Album ist es ein warmer, handgemachter Sound mit ordentlich Gitarre. Ein paar Trompeten sind dazugekommen, um die „Schleier des Glücks“ zu zerreißen, von denen diese einsamen Menschen phantasieren. Und Charlotte hat tolle Backings geschrieben, die dem Ganzen eine aus der Zeit gefallene Dramatik verleihen. Der Song ist fetter und spookyer geworden, als wir es uns am Anfang der Produktion gedacht hatten. Herausgekommen ist ein Art-Pop-Stück, das vor 200 Jahren zu spielen scheint, in dem Zähne eine wichtige Rolle spielen und das ein halbes Duett genannt werden kann.

VIDEOS

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Braake - Meine Freunde (Official Music Video)
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Braake - Hinter unsern Gittern (Official Music Video)
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Braake - Ich muss jetzt nach Hause (Official Music Video)